Plenary session

Kyösti Julku
Oulu

Die verschiedenen Hypothesen über den Ursprung der fenno-ugrischen Völker

Zusammenfassung

Zur Zeit können wir in der Forschung über den Ursprung der fenno-ugrischen Völker zwei Hauptrichtungen beobachten: eine ältere Schule, traditionelle, und eine neuere, internationale.

Die traditionelle Schule

Die Auffassungen vom Ursprung der fenno-ugrischen Völker sind schon im 19. Jahrhundert entstanden, und sie herrschten bis zum Durchbruch neuer Ideen um das Jahr 1980 (Tvärminne-Symposium). Nach diesen Hypothesen kamen die Ostseefinnen relativ spät an die Ufern der Ostsee von der Urheimat in der Wolga-Region. Die Finnen erreichten das heutige Finnland erst in der historischen Zeit 100–800 nChr.

Den zweiten Konsensus vertreten die Ansichten, die im Tvärminne-Symposium im Jahre 1980 eine allgemeine Anerkennung gefunden haben: Die Einwanderung der Ostseefinnen sei am Anfang der typischen Kammkeramik stattgefunden. Diese Annahme wurde vor allem archäologisch begründet (Jaanits, Moora, Meinander). Die Urheimat der Fenno-Ugrier liegt immer in der Ural–Wolga -Region.

Diesen zweiten Konsensus verteidigen vor allem die Fenno-Ugristen (das heisst die Sprachwissenschaftler). Archäologisch ist die Hypothese sehr schwach begründet. Archäologisch hat man niemals den genauen Ort der Urheimat bewiesen. Auch hat man nicht gefragt, von welcher Richtung die fenno-ugrischen Völker im Mesolithikum oder früher im Paläolitihikum nach der Wolga-Region kamen.

Die internationale Schule

Die Grundideen der neuen Auffassung sind einerseits in der internationalen archäologischen Forschung und andererseits in dem Gesamtbild der Entwicklung während und nach der Eiszeit. Während des Maximus der Eiszeit konnte der Mensch nur in den südlichen Refugien leben. Aber am Ende der Eiszeit veränderte sich Europa sehr langsam. Zuerst verschwand das Eis und dann entstand die Flora, und die Fauna kam auch sehr langsam vom Süden nach dem Norden, und dann kam auch sehr langsam der Mensch (Sulimirski 1970. Vgl. auch Dolukhanov 1978; Nuñez 1987.) Die Hauptrichtung der Wanderung der Menschen war also vom Süden nach dem Norden, und in diesem Gesamtbild müssen wir versuchen, auch die Wanderungen der fenno-ugrischen Völker zu erklären.

Ich nehme also an, dass eine "Urheimat" der fenno-ugrischen Völker in dem östlichen Refugium (in der heutigen Ukraine) gewesen sei. Auf Grund von dieser Hypothese werden die sprachlichen Erscheinungen zwischen den fenno-ugrischen und indoeuropäischen Sprachen leicht erklärt. Die Ergebnisse der modernen Genetik und der neuen physischen Anthropologie unterstützen diese Hypothese.

Meines Erachtens können wir also annehmen, dass die "Urheimat" der fenno-ugrischen Völker in der Ukraine gelegen war. Die Wanderung der fenno-ugrischen Stämme der Wolga-Region ist nur ein Teil einer weiteren Wanderung am Ende der paläolithischen Zeit und während des Mesolithikums. Die Fenno-Ugrier sind ein alteuropäisches Volk.